Freie Radikale im Gehirn (ZNS)

 

Die das ZNS charakterisierenden zellulären Elemente sind im Wesentlichen die Neuronen und Gliazellen, wobei erstere als das zelluläre Korrelat der kognitiven Fähigkeiten des ZNS betrachtet werden. Zweien der drei Gliazelltypen werden dabei hauptsächlich (unter-) stützende Aufgaben zugedacht (griechisch Glia = Leim). Die Oligodendroglia (Oligodendrocyten) ermöglicht durch Myelinisierung der neuronalen Axone eine schnelle Signalweiterleitung. Die Astroglia (Astrozyten) dient wesentlich der metabolischen Versorgung der Neurone, wobei sie neueren Befunden zufolge auch an der synaptischen Transmission beteiligt ist.
Der dritte Gliatyp, die Mikroglia, verdankt ihren Namen einer relativ geringen Größe. Sie ist vermutlich mesodermalen Ursprungs und damit von den ektodermalen Astrozyten, Oligodendrozyten und Neuronen grundverschieden. Die Mikrogliazellen werden als Makrophagen des Gehirns angesehen, einem Organ, das ‚immunologisch privilegiert‘ ist, in dem Sinne, daß es an Immunreaktionen des Organismus nicht direkt beteiligt ist, da durch die Bluthirnschranke bzw. das Fehlen eines lymphatischen Systems das Einwandern von immunkompeten Zellen normalerweise verhindert wird. Die Mikroglia stellt etwa 20 % der gesamten Gliapopulation, wenngleich ihre Anzahl zwischen einzelnen Hirngebieten beträchtlich schwankt. Ihre Funktion besteht während der frühen postnatalen Entwicklung  in der Phagozytose der, im Zuge der physiologischen, teilweise erfahrungsbedingten, Modellierung des Gehirns, sterbenden Neurone (in einigen Kerngebieten bis zu 50 % der neuronalen Population). Ihre Aufgabe im gesunden adulten Gehirn ist jedoch ziemlich unklar. Die ramifizierte, durch feinverzweigte Fortsätze charakterisierte Morphologie der ‚ruhenden‘ Mikroglia vermag sich jedoch unter pathologischen Bedingungen teilweise innerhalb weniger Stunden dramatisch zu verändern. Die Mikroglia wird ‚aktiviert’, entwickelt eine amöboide Morphologie, und ähnelt jetzt, wie auch schon in der postnatalen Periode, sowohl unter biochemischen als auch funktionellen Aspekten, den Makrophagen.

Aktivierte Mikrogliazellen lassen sich, mehr oder weniger regional begrenzt, bei einer Vielzahl von Erkrankungen des Nervensystems finden. Dazu zählen die Parkinsonsche und Alzheimersche Krankheit, die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) sowie Ischämie, Infektionen (bakterielle und virale) und mechanische Traumata. Neben regenerativen Effekten, die auf der Freisetzung von Wachstumsfaktoren sowie der Phagozytose sterbender Neurone beruhen, sind aktivierte Mikroglia jedoch auch toxische Mediatoren. Inflammatorische Cytokine als auch reaktive Stickstoff- und Sauerstoffspezies sind Schlüsselelemente in der Initiierung einer sekundären Gewebeschädigung. Gerade hier wird in jüngster Zeit verstärkt ein Ansatz zur, eben auch klinischen, Intervention gesucht, um die den primären ‚Insult‘ überlebenden Neurone einer autodestruktiven Schädigung zu entziehen.

 

 

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